ESPG: „Im Vergleich zu anderen Assetklassen sehr gut entwickelt“

Immobilientitel werden nach wie vor noch kritisch beäugt – Berichtigungsbedarf könnte überall lauern. In der Marktnische Lifesciences-Parks sollte das anders sein. Zeit für ein Update mit ESPG-Vorstand Dr. Ralf Nöcker nach der erfolgreichen Anleihe-Restrukturierung.

>> >> Hier geht es zum aktuellen gelayouteten Interview im BondGuide #11-2024 (31.05.2024).

Herr Dr. Nöcker, wollen wir ausnahmsweise gleich mit einer kniffligen Frage starten? Die Laufzeitverlängerung bei der Anleihe, jetzt also bis 2026, ist eingetragen, keine Anfechtungsklagen, und operativ auch alles im Lot – kommen wir noch einzeln zu den Punkten. Haben wenigstens Sie eine plausible Erklärung, weshalb die Anleihe trotzdem keinerlei Erholung zeigt, sondern quasi unbeirrt weiterhin bei nur knapp über 50% notiert?
Auf den öffentlich einsehbaren Handelsplätzen liegt der tägliche Handel weiterhin bei nur wenigen Tausend EUR. Auf den nicht öffentlich betriebenen bilateralen Handelsplattformen sieht es nicht besser aus. Mit dem negativen Sentiment, das u.a. von Signa, Adler und anderen in den Markt kommt, werden wir über einen Kamm geschoren. Dabei läuft, wie Sie schon richtig sagten, operativ alles nach Plan und auch unser Immobilienportfolio zeigt sich wertstabil. Science Parks haben sich im Vergleich zu anderen Assetklassen sehr gut entwickelt. Ich bin überzeugt davon, dass sich die guten Aussichten unseres Portfolios auch früher oder später im Anleihekurs widerspiegeln werden.

Und bestimmte Adressen, die in den Markt hinein verkaufen oder sich umhören, dies zu tun, helfen sicherlich auch nicht gerade.
Sie und auch Ihre meistens gut informierten Leser:innen wissen sicherlich, dass sich einer unserer großen Investoren in der Liquidation befindet, also seine Bestände abgewickelt werden. Zu allem Überfluss hat einer unserer anderen großen Investoren auch noch einen De-Investitionsbefehl von der europäischen Aufsichtsbehörde bekommen – das ist auch öffentlich bekannt. Dies hilft natürlich nicht für den Vertrauensaufbau am Kapitalmarkt – zumal die Immobilienbranche aktuell von einigen Investoren nach wie vor kritisch beäugt wird. Andererseits bietet das aktuelle Kursniveau eine günstige Einstiegschance für opportunistische Investoren.

Cube 12 von ESPG

Wäre diese Sondersituation nicht zugleich eine Möglichkeit, Opportunitäten wahrzunehmen?
Ja, über einen Aufkauf der im Markt quasi überhängenden Anleiheangebote haben wir nachgedacht. Aber da ist nichts spruchreif. Zudem stehen wir mit dem sogenannten Liquidator in Kontakt. Ich erwarte keinen Verkauf der Positionen über den Handel. Schließlich würde ein Ausverkauf allen Investoren schaden – also auch dem Fonds selbst. Es liegt im ureigenen Interesse des Liquidators, dass die ESPG-Anleihe zu alter Stärke zurückfindet.

Kommen wir noch einmal zurück zur wichtigen AGV im März, bei der die Anleihebedingungen verändert wurden. Welcher Punkt, oder auch im Plural, war denn für Ihre größeren Investoren kritisch, so dass es da Gesprächs- oder gar Kompromissbedarf gab?
Ich bin unseren Investoren sehr dankbar für den offenen und konstruktiven Austausch. Wir sitzen alle im gleichen Boot und wollen, dass sich das Unternehmen langfristig erfolgreich entwickelt. Mit den gefassten Beschlüssen haben wir einen fairen Kompromiss gefunden. Kern unserer Anfrage im März 2024 war die vorsorgliche Streichung des LTV-Covenants, der den Grad unserer Verschuldung festlegt. Den LTV-Covenant wollten wir für 2023 aufgrund des schwierigen Marktumfelds vorsorglich aussetzen. Dieser Beschluss wurde mit über 99% Zustimmung gefasst. Im gleichen Zuge wollten wir die Entscheidung über die Aussetzung des LTV-Covenants für die Jahre 2024 und 2025 an den gemeinsamen Vertreter delegieren. Schließlich haben wir uns mit den Anleihegläubigern darauf verständigt, die Zustimmung auf das Jahr 2024 zu beschränken. Unter dem Strich können wir mit dem Ausgang sehr gut leben.

Bleibt es denn bei ‚vorsorglich‘?
Wir werden den testierten Jahresabschluss im Juni veröffentlichen. Auch wenn ich gern würde, darf ich da nicht vorgreifen. Ich sage nur so viel: Auf Basis der bereits kommunizierten vorläufigen Ergebnisse, die in der Regel nur homöopathisch von den testierten abweichen, wurde der besagte LTV-Covenant eingehalten. Das unterstreicht die positive Entwicklung unseres Portfolios.

Wie steht es mit der ebenfalls ausgerufenen möglichen Anleiheaufstockung? Zumal die ja wohl den LTV tangieren würde, falls ich nicht irre.
Eine Anleiheaufstockung ist auf Basis der weiterhin zu niedrigen Anleihekurse derzeit kein Thema, also weiterhin nur ‚potenziell‘, wie wir es in der Meldung seinerzeit auch titulierten. Wir können nicht 1 EUR zu 50 Cent verkaufen mit der Verpflichtung, zu 1 EUR in zwei Jahren zurückzuzahlen.

Science City von ESPG

Science City von ESPG

„Mit den gefassten Beschlüssen haben wir einen fairen Kompromiss gefunden.“

Einerseits hat die ESPG glaube ich noch einige Non-Science-Properties, sicherlich aus dem Werdegang aus der DIOK heraus; andererseits haben Sie in Richtung möblierter Wohnungen diversifiziert. Also das müssten Sie dann wohl doch erläutern bitte!
Das verhält sich etwas anders. Was wir jetzt noch an Non-Science haben, ist sozusagen ‚Beifang‘. Diese Liegenschaften sind gut vermietet, generieren stabile Cashflows und im derzeitigen Umfeld gibt es keine Not, diese auf den Markt zu werfen. Was wir mit den möblierten Wohnungen im Umfeld der Science-Parks machen, ist internationaler Standard: In den Laboren arbeiten ja nicht nur hochbezahlte Wissenschafts-Professoren, sondern überwiegend ganz normales Laborpersonal, das bezahlbaren Wohnraum in Arbeitsnähe braucht. Deswegen spricht man da auch von ‚Monteurs-Wohnungen‘. Das muss man heutzutage einfach mit anbieten und ist ein ‚Add-on‘, das auch erwartet wird. In großen Ballungsgebieten wie z.B. Berlin mit sehr großen Parks findet man daher blockweise diese Wohngelegenheiten.

Und was ist derzeit Ihre spannendste Science-Liegenschaft?
Wie gewohnt dürfen wir keine Mieternamen nennen. Einer unserer Mieter hat beispielsweise große Fortschritte bei der Entwicklung von Impfungen gegen Krebs gemacht, namentlich gegen Hautkrebs. Falls sich dieser Standard etabliert, und das wird er meiner Ansicht nach die nächsten Jahre, dann ist das für die kommende Generation ein absoluter Game Changer. Und das ist nur der Anfang.

Blue Circle von ESPG

Blue Circle von ESPG

Mit m-RNA? Falls ja, kann ich den Namen wohl ermitteln im Rahmen meiner Möglichkeiten.
Mit m-RNA. Das wird ein großes Thema in den kommenden Jahren. Wenn alles nach Plan läuft, können in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren die häufigsten Krebsarten um bis zu 90% reduziert werden. Ich freue mich, dass ich das noch miterleben darf und dass einer unserer Mieter an diesem Durchbruch maßgeblich mitgewirkt haben wird.

Nochmal zu den Zahlen. Die testierten kommen ja erst noch. Da war alles im Plan, oder?
Dass wir noch ein Minus haben würden für 2023, war so weit kein Geheimnis und ist im Rahmen unserer Guidance. Die Hälfte davon sind Einmaleffekte – im Übrigen war auch die Anleiherestrukturierung nicht günstig und ist in diesen Sondereffekten enthalten. Besonders wichtig ist uns als Bestandshalter die Wertentwicklung unseres Science Park-Portfolios und dieses zeigt sich in der aktuellen Marktsituation ausgesprochen robust. Das stimmt mich optimistisch für die weitere Entwicklung.

Dr. Ralf Nöcker, ESPG

Dr. Ralf Nöcker, ESPG

Sind wir denn in der Obermenge Ihrer Branche, nennen wir sie ‚Real Estate‘, so langsam durch das Tal der Tränen durch?
Bei gut vermieteten Logistikimmobilien oder wie bei uns Science-Parks kann ich nur noch schwer irgendwelche weiteren Risiken sehen. Da stimme ich Ihnen zu. Im Bereich Wohnimmobilien brauchen wir glaube ich noch eine Weile für eine vollständige Anpassung von Wertkorrekturen. Ganz schwer einzuschätzen sind Büroimmobilien, v.a. bei den teuren Neubauten im XXL-Format wie bei Ihnen in Frankfurt. Wenn man bei Renditen von 3% p.a. zu bauen oder vermarkten angefangen hat und auf 4% abwerten muss, ist das ein Drittel Buchwertverlust – und diese Zahl stimmt wahrscheinlich immer noch nicht. Ich befürchte, das wird noch dauern.

Also die ESPG jedenfalls hat keine Meinungsverschiedenheiten mit ihren Wirtschaftsprüfern wie einige andere?
Nöcker: Überhaupt nicht. Unser testierter Jahresabschluss für 2023 ist praktisch fertig. Wie es sein sollte.

Herr Dr. Nöcker, ganz herzlichen Dank für das Update!

Interview: Falko Bozicevic

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